Neues Backhaus an der Carl-Orff-Schule steht einmal im Monat allen zur Verfügung – Einrichtung vermittelt Schülern Berufswissen

Von Herbert Heß

Sinsheim. Neuer Schwung für eine alte Tradition: Öffentlich Brot backen für Jedermann ist in Sinsheim ab sofort wieder möglich. Ein Backhaus ging in diesen Tagen an der Carl-Orff-Schule in Betrieb. Künftig wird es am Rand der Gartenstadt Backtage geben.

Die Idee kam mit der Frage nach gutem Schulessen, schildert Theo Grimm, Lehrer und Vorsitzender der „Brücke“, des Fördervereins der Schule: Seit langem unterstützt der Verein Bemühungen, den Schülern gesundes Essen und Backwaren zur Verfügung zu stellen. Hierzu werden im Küchen- und Bäckereibereich zum einen Fachkräfte beschäftigt, zum anderen Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Schülerfirma „amiCos“.

Sie sollen Erfahrungen für die spätere Arbeitswelt sammeln und sich Kompetenzen aneignen. Unterschiedliche Geräte zum Backen von kleinen Pizzastücken, Brötchen, Broten oder auch Kuchen wurden angeschafft. Und schon vor Jahren stand auf dem Hofgelände der Schule bereits ein Backhaus mit einem Holzbackofen, später wurde ein Elektroofen benutzt.

Das neue Backhaus wurde nun in Zusammenarbeit mit der Werkstatt-Schule Heidelberg hinter dem Schulgebäude eingerichtet. Es hat wieder einen Holzbackofen. Bei der Einweihung sagte Theo Grimm, dass man die Anlage immer am letzten Samstag des Monats auch der Bevölkerung zur Verfügung stellen wolle, um darin Backwaren, die zu Hause vorbereitet wurden, gegen eine geringe Gebühr zu backen. Im Umfeld des Backhauses sollen Sitzbänke aufgestellt werden, damit Interessierte miteinander ins Gespräch kommen und Backrezepte oder Erfahrungen austauschen können. Für die Teilnahme an den Back-Tagen ist eine Anmeldung nötig.

Zur Tradition des Backhauses hatte Theo Grimm Informationen gesammelt. Gemeinsam mit dem Heimatkundler Emil Schumacher aus Sinsheim-Rohrbach fand er heraus, dass es in den Kraichgaugemeinden im 19. Jahrhundert fast überall öffentliche Backhäuser gab, darunter auch in Rohrbach und Steinsfurt.

Über 100 Jahre lang wurden diese genutzt. Ihre Schaffung geht zurück auf den Großherzog von Baden, der mit Backhäusern ein soziales Problem lösen wollte: Der Großherzoglich Badische Bezirksbaumeister August Schwarz wurde mit der Planung und dem Bau „allgemeiner Backöfen“ beauftragt. Hintergrund war die Not der Landbevölkerung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die sich nicht einmal das Holz für einen Backofen leisten konnte. Zur Linderung der Not wurden öffentliche Backhäuser gebaut. Ein Bäcker sorgte für die Reinigung der Backöfen und heizte sie mit Holz aus dem Gemeindebesitz an. Wenn der Backofen heiß genug war, rief er die Bevölkerung auf, ihre Brote und Kuchen zu bringen.

Bis heute erinnern sich viele Ältere in den Dörfern noch gut daran, dass bis in die 1950er-Jahre von den Hausfrauen Brotteig für eine Wochenration vorbereitet und – in sogenannten Backnäpfen – verteilt zu einem der Dorfbäcker gebracht wurde. Zur Kennzeichnung wurde der Name der Besitzer auf den unbedruckten Randstreifen der Tageszeitung geschrieben und auf die Brotlaibe geklebt. Die fertigen Laibe wurden in Vorratskammern oder im Keller auf Rösten gelagert, die frei an der Decke befestigt waren – für Mäuse unerreichbar.

Der Kinderreim „Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen“ oder der Begriff des „Eigenbrötlers“ gingen auf die Tradition der Backhäuser zurück, sagen Grimm und Schumacher. Oder auch die alte Bauernweisheit „Frisches Korn und Brot, noch warm, macht den reichsten Bauern arm“: Denn Scheiben von frischem weichem Brot fielen meist dicker aus und man esse manchmal etwas mehr davon.